Quelle
ECO-News - Die grüne Presseagentur
Art
Artikel Zeitung/Magazin
Rubrik
Umweltschutz
Datum
21.10.1999
Partner
Dr. Petra Schüsseler FBAW (Forschungsgemeinschaft biolog. abb. Werkstoffe e.V.), D-30419 Hannover


Biologisch abbaubare Werkstoffe im Zierpflanzenbau

Alternative Materialien müssen noch die Kostenhürde nehmen

Für die Produktion und Vermarktung von Zierpflanzen verwendet der Gärtner heute zahlreiche Bedarfsartikel, wie z.B. Pflanzgefäße, Transport- und Verkaufsverpackungen (Trays, Tragetaschen, Folien), Etiketten, Bindegarne oder Steckschäume, die überwiegend aus langzeitstabilen Kunststoffen auf Erdölbasis hergestellt werden. Das sachgerechte Recycling, welches nach der heutigen Abfallgesetzgebung zunehmend gefordert wird, bereitet gerade bei diesen häufig stark verschmutzen Produkten große Probleme. Alternative Materialien, die sich biologisch abbauen, können dagegen schon im Betrieb oder beim Kunden kompostiert werden. Stoffkreisläufe werden so geschlossen, Deponien entlastet und bei Verwendung nachwachsender Rohstoffe zusätzlich die begrenzten Vorräte an fossilen Rohstoffen geschont.

Einsatzmöglichkeiten
Zu den biologisch abbaubaren Werkstoffen zählen neben den traditionsreichen Materialien Holz, Pappe, Papier und diversen Pflanzenfasern (z.B. Jute, Sisal, Flachs, Hanf) auch die sogenannten Biopolymerwerkstoffe. Als Ausgangsstoff für diese kompostierbaren Kunststoffe können sowohl nachwachsende Rohstoffe, wie Stärke, Zucker, Cellulose oder Pflanzenöl, als auch fossiles Erdöl dienen.
Produktbeispiele zeigt die beigefügte Abbildung.

Bereits im Handel sind verschiedene Pflanzgefäße, Bindegarne, Tragetaschen, Raschelsäcke und Steckschäume. Sie befinden sich in der Phase der Markteinführung, werden bislang aber nur in geringen Stückzahlen abgesetzt. In der Erprobung und kurz vor der Marktreife befindet sich ein Pflanztopf auf Stärke- und Cellulosebasis für die Anzucht von Beet- und Balkonpflanzen. Die vom Institut für Technik in Gartenbau und Landwirtschaft (ITG) in Zusammenarbeit mit den Firmen Pöppelmann und Biotec entwickelten Stärketöpfe entsprechen den Anforderungen an derartige Pflanzgefäße in hohem Maße. Nach Untersuchungen von GROOT (1999) sind sowohl das Pflanzenwachstum in den Töpfen als auch die Stabilität und somit das Handling ausgesprochen zufriedenstellend. Auch der geringe Grad der Verpilzung und Veralgung ist positiv zu bewerten. Der Zeitraum, in dem sich die Töpfe biologisch abbauen, ist mit 5 Monaten noch zu lang. An einer dahingehenden Optimierung der Töpfe und an der Entwicklung von Marketingstrategien wird gearbeitet. Mit der Markteinführung istim nächsten Jahr zu rechnen.

Für den Langzeiteinsatz bieten Faserverbundwerkstoffe eine Lösung. Pflanzenfasern tragen hierbei die Last und werden durch Polymerwerkstoffe (Matrixmaterialien) zusammengehalten und geformt. Gute Erfahrungen aus dem Fahrzeugbau (Seitenverkleidungen, Sitzschalen) könnten z.B. für die Konzipierung von Transportverpackungen oder Verkleidungen im Maschinen- und Gerätebereich genutzt werden.
Nicht nur für die Produktion und den Verkauf von Topfpflanzen und Schnittblumen können biologisch abbaubare Werkstoffe eingesetzt werden. Auch für die übrigen Sparten gibt es vielfältige Einsatzbereiche. Zu nennen sind hier Mulchfolien für den Gemüsebau, Anzuchtcontainer und Bindegarne für den Baumschul- bzw. Staudensektor oder Verpackungen für die Vermarktung von Obst und Gemüse.

Hinzu kommen die sogenannten Geotextilien. Das sind Gewebe, die im Garten- und Landschaftsbau, im Straßenbau oder im Bereich der Ufer- und Küstenbefestigungen eingesetzt werden. Zwar werden heute schon Produkte aus Pflanzenfasern eingesetzt, der hohe Anteil der Kunststoffprodukte bietet gerade für diese Anwendungen ein deutliches Substitutionspotential.

Potentiale
Der geschätzte Umfang der im Gartenbau eingesetzten Bedarfsartikel beträgt jährlich etwa 225.000 t/Jahr. Davon sind 79 % Verpackungen für Pflanzen und Ernteprodukte, 9 % Pflanzgefäße, 9 % Friedhofsartikel, 2 % Folien und Vliese, 1 % Verpackungen für Substrate, Dünge- und Pflanzenschutzmittel und 0,2 % Etiketten und Bindematerial (GROOT UND BRÖKELAND 1995, SCHÜSSELER 1997).

Bei der Ermittlung des Substitutionspotentials für biologisch abbaubare Werkstoffe muß berücksichtigt werden, daß von der genannten Bedarfsmittelmenge bereits etwa die Hälfte aus biologisch abbaubaren bzw. nachwachsenden Rohstoffen besteht. Eingesetzt werden z.B. Pappkartons, Holzkisten und -paletten für den Transport von Pflanzen und Erntegut, Düngemittelsäcke aus Papier oder Bindegarne aus Pflanzenfasern.
Die übrigen Bedarfsartikel bestehen überwiegend aus konventionellen Kunststoffen(Polyethylen, Polypropylen und Polystyrol) und könnten zumindest teilweise durchbiologisch abbaubare Werkstoffe substituiert werden.

Das Potential für biologisch abbaubare Werkstoffe im Bereich der Pflanzgefäße (überwiegend für die Anzucht und Kultivierung von Zierpflanzen) wird auf 12.000 - 20.000 t/a (GROOT 1999), im Bereich der Mulchfolien auf ca. 1.500 t/a geschätzt.
Die Substitution von konventionellen Kunststoffen durch biologisch abbaubare Werkstoffe bietet, sofern diese im Boden verbleiben oder auf dem betriebseigenen Kompost verrotten, eine Möglichkeit, das betriebliche Abfallaufkommen zu reduzieren. Neben dieser Art der Substitution führen der Verzicht auf bestimmte Betriebsmittel (z.B. Substratverpackungen oder Stellflächenauflagen) oder der Einsatz materialarmer Produkte sowohl zu einer Senkung des Rohstoffeinsatzes als auch zueiner Reduzierung des Abfallaufkommens. Bei einer Nutzung dieser Maßnahmen verringert sich folgerichtig auch das Substitutionspotential für biologisch abbaubare Werkstoffe.

Materialvorteile
Die Gründe für den Einsatz von biologisch abbaubaren Werkstoffen liegen auf der Hand:
* Schonung fossiler Ressourcen (Erdöl, Erdgas)
* Keine zusätzlichen CO2-Emissionen
* Erweiterung der Fruchtfolge
* Schonung knappen Deponieraums (durch den biologischen Abbau)
* Geschlossene Stoffkreisläufe
Neben diesen ökologischen Vorteilen bieten Produkte aus biologisch abbaubaren Werkstoffen auch arbeits- und marktwirtschaftliche Vorzüge:
* Einsparung von Arbeitsgängen (z.B. entfällt das Austopfen von Beet- und Balkonpflanzen vor der Pflanzung)
* Brechen von Arbeitsspitzen und Reduzierung der Personalkosten
* Reduzierung der Entsorgungskosten
* Aufbau eines "Umweltimages" bei Verwendung von nachwachsenden Rohstoffen
* Marktvorteile durch Umweltimage

Beurteilung der Einsatzmöglichkeiten
Gerade bei den Biopolymeren ist ein ökonomischer Einsatz derzeit aufgrund der hohen Werkstoffpreise von ca. 4-35 DM/kg nicht gewährleistet. Konventionelle Kunststoffe werden bei den momentanen Erdölpreisen z.T. unter 1 DM/kg gehandelt. Durch eine langfristig zu erwartende Preissteigerung bei den fossilen Rohstoffen infolge der zunehmenden Verknappung sowie die bereits bestehenden Kostenvorteile bei der Entsorgung können die aktuellen Preisnachteile langfristig aufgefangen werden.
Die Kosten für die Entsorgung von Verpackungen aus Kunststoff über das Duale System Deutschland (DSD) betragen zur Zeit etwa 3 DM/kg, die Entsorgung von biologisch abbaubaren Werkstoffen in Kompostierungsanlagen lediglich 1 DM/kg.
Zudem wird nach Angaben von Biopolymerherstellern mit Senkungen bei den Werkstoffpreisen gerechnet, wenn die Nachfrage ansteigt.

Die gesetzlichen Grundlagen für eine geregelte Entsorgung von biologisch abbaubaren Produkten bieten die aktuellen Fassungen der Verpackungsverordnung, Bioabfallverordnung und TA Siedlungsabfall. In der Praxis treten jedoch Probleme auf. So fürchten z.B. die Kompostwerkbetreiberbei der Entsorgung über die Biotonne Qualitätseinbußen ihrer Komposte durch sogenannte Fehlwürfe. Hier können eine klare Kennzeichnung der Produkte und Verbraucherinformationen helfen.
Desweiteren muß die biologische Abbaubarkeit der Produkte nachweislich gewährleistet sein. Eine Prüfung nach DIN 54900 bietet die Möglichkeit, sowohl Rohstoffe als auch Endprodukte hinsichtlich ihrer Abbaueigenschaften zertifizieren zu lassen.

Zur Bewertung der Umweltvorteile von Produkten aus biologisch abbaubaren Werkstoffen bzw. nachwachsenden Rohstoffen stehen verschiedene Bewertungsverfahren zur Verfügung. Neben der sehr umfassenden Ökobilanz gibt es die Produktlinienanalyse, die Stoff- und Energieanalyse, die Nutzwertanalyse oder den kumulierten Energieaufwand (KEA). Gemeinsam ist ihnen, daß große Datenmengen mit zuverlässiger Genauigkeit in zeitaufwendigen Studien erhoben und ausgewertet werden müssen. Daaussagekräftige Daten (z.B. zum Energieverbrauch) jedoch häufig erst bei der Serienfertigung von Produkten zur Verfügung stehen, liegen für die meisten der neuentwickelten Produkte aus biologisch abbaubaren Werkstoffen noch keine fundierten ökologischen Beurteilungen vor.
Eine Bewertung der Umweltrelevanz ist von immenser Bedeutung, zum einen, um bei der Vermarktung entsprechend argumentieren zu können, zum anderen, um ökologischeSchwachstellen der Produkte aufdecken und verbessern zu können.
Ein Überkreuzvergleich zwischen verschiedenen biologisch abbaubaren Verpackungenmit Hilfe der Ökobilanzierung nach DIN EN ISO 140 40 ff ist in naher Zukunft geplant.

Ausblick
Zukünftig können gerade im Zierpflanzenbau und im Bereich der Floristik zahlreiche Produkte aus biologisch abbaubaren Werkstoffen eingesetzt werden und so zur Einsparung fossiler Rohstoffe und zur Abfallreduzierung beitragen. Mit Hilfe von Ökobilanzierungen, die für derartige Produkte durchgeführt werden sollen, kann dann auch der Grad der Umweltverträglichkeit bestimmt werden.
Um die Entwicklung und den Einsatz von Produkten aus biologisch abbaubaren und nachwachsenden Rohstoffen speziell im Gartenbau voranzutreiben, wurde die Forschungsgemeinschaft biologisch abbaubare Werkstoffe FBAW e.V. gegründet. Sie hat ihren Sitz in den Räumen des Instituts und kooperiert eng mit diesem.

Neben der Weiterführung von Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der biologisch abbaubaren Werkstoffe bestehen die Hauptaufgaben der FBAW e.V. in der Sammlung und Verbreitung von Informationen z.B. in Rahmen von Workshops oder Messepräsentationen und zukünftig auch verstärkt via Internet. Zusammen mit dem ITG wird die Forschungsgemeinschaft auf der HORTEC 1999eine Lehrschau zum Thema "Biologisch abbaubare Werkstoffe - Einsatz im Gartenbau" vorstellen.

Dr. rer. hort. Petra Schüsseler
Forschungsgemeinschaft biologisch abbaubare Werkstoffe e.V. (FBAW)
Herrenhäuserstr. 2
30419 Hannover

Literatur
BRÖKELAND, R., L. GROOT (1995): Nachwachsende Rohstoffe für den Gartenbau. KTBL-Arbeitspapier 221. KTBL-Schriften-Vertrieb im Landwirtschaftsverlag GmbH, Münster-Hiltrup.
DIN EN ISO 14040 (1997): Umweltmanagement - Ökobilanz. Prinzipien und allgemeineAnforderungen. DIN Deutsches Institut für Normung e.V., Berlin, Beuth Verlag GmbH, Berlin.
GROOT, L. (1999): Gebrauchs- und Umweltverträglichkeitsprüfung von biologisch abbaubaren Kulturgefäßen. Informationsmaterial, Pressekonferenz 25.03.1999 am Institut für Technik in Gartenbau und Landwirtschaft, Universität Hannover.
SCHÜSSELER, P. (1997): Neue Konzepte, Methoden und Materialien zur Reduzierung und Wiederverwendung von Abfällen im Gartenbau. Gartenbautechnische Informationen.Heft 40. ITG Hannover.
SCHÜSSELER, P. (1998): Biologisch abbaubare Verpackungen im Gartenbau. Gartenbaureport 3/97, S. 25-27

Abdruck und weitere Verwertung nur mit Genehmigung des Autors/Verlages

Kontakt
Dr. Petra Schüsseler
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