Quelle
ECO-News - Die grüne Presseagentur
Art
Artikel Zeitung/Magazin
Rubrik
Gesundheit
Datum
12.10.1999
Partner
ECOregio - regionales Umweltmagazin, D-70178 Stuttgart


Heilen mit der Kraft der Natur

Krankenkassen und Naturheilverfahren: gefördert, genehmigt, gestrichen

Von der Schulmedizin noch vor nicht allzu langer Zeit meist nur mit größter Skepsis wahrgenommen, sind die sogenannten Naturheilverfahren heute bei der Krankheitstherapie nicht mehr wegzudenken. Kaum ein Arzt bestreitet noch die Wirkung zumindest einiger alternativer Heilmethoden.
Das Umdenken hat sich auf breiter Front auch bis zu den Krankenkassen durchgesetzt, die inzwischen fast immer auch Therapien auf der Basis von Wärme, Wasser oder Pflanzen in ihr Programm aufgenommen haben. Für welche Therapie die Kostenübernahme allerdings vertraglich garantiert, in Einzelfallentscheidung abgewogen oder gar generell rundweg abgelehnt wird, da scheiden sich die Geister.


Bestens auf Fragen zum Thema Naturheilverfahren eingestellt, sind die Techniker- und die Deutsche Angestellten Krankenkasse (TK und DAK). Bei beiden gesetzlichen Krankenkassen liegt eine Broschüre parat, in der nicht nur die wichtigsten allgemein anerkannten Naturheilverfahren kurz vorgestellt werden, sondern auch gleich eine Liste enthalten ist, die die von der Kasse jeweils finanzierten Leistungen nennt. Findet die Behandlung bei einem Vertragsarzt statt - mehr als vierzig Adressen listet die DAK in ihrem Schreiben allein für Stuttgart auf - werden bei beiden Kassen als "Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung" und damit für den Patienten kostenlos, folgende Naturheil-Therapien angeboten: Phytotherapie, Wärme- und Kältetherapie, Chirotherapie, Massage, Lymphdrainage, Atemtherapie, Mikrobiologische Therapie, Neuraltherapie, Homöopathie, anthroposophische Medizin. Und - dies allerdings nicht generell, sondern nach Absprache - die Schmerzakupunktur.

Konkret genannt werden bei der Techniker-Kasse außerdem unter anderem Hypnose und Aderlaß, Übungsbehandlungen nach Vojta, Bobath, Frostig, Kabat sowie Relaxationsbehandlung nach Jacobson. Sowohl DAK als auch TK bieten darüber hinaus an, von Fall zu Fall auch nicht aufgeführte Verfahren zu berücksichtigen. Die TK-Broschüre: "Es kommt vor, daß der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen eine Methode noch nicht überprüft hat, obwohl ihre Wirksamkeit indikationsbezogen bereits anhand wissenschaftlich einwandfrei geführter Statistiken nachgewiesen ist." In diesen Fällen sei eine Einzelprüfung möglich.

Als besondere Attraktion in Sachen Naturheilverfahren hat die DAK in Bad Elster in Sachsen eine Fachklinik für Naturheilverfahren eingerichtet, in der sich Versicherte mit chronischen Schmerzzuständen, chronisch wiederkehrenden Infekten, Erschöpfungs- und Ermüdungszuständen oder funktionellen Gefäßerkrankungen oder Darmstörungen nach den Regeln der anerkannten Naturheilkunde kurieren lassen können.

Modellprojekt für die sanfte Medizin
Auch die AOK "steht den Methoden der Naturheilverfahren grundsätzlich positiv gegenüber, wenn es sich hierbei um qualitätsgesicherte Verfahren handelt." Auf Nachfrage werden von der Gesundheitskasse zur Kostenübernahme folgende Therapien aufgelistet: Bäder, Massagen sowie Kneippsche Kuranwendungen, homöopathische Behandlungen, anthroposophische Therapie und Phytotherapie. Außerdem beteiligt sich die AOK Baden-Württemberg mit fünfzig Mark an Schmerzakupunktur-Behandlungen bei maximal zehn Behandlungen. Darüber hinaus behält sich auch diese gesetzliche Krankenkasse die Überprüfung im Einzelfall vor.

Während man bei der Bosch Betriebskrankenkasse gar keine generellen Aussagen macht, sondern in jedem Fall auf die Einzelprüfung verweist, ist man bei der BKK Post auf ein Modellprojekt in Sachen Naturheilverfahren stolz, das "durch achtjährige wissenschaftliche Begleitung den Nachweis darüber erbringen soll, ob und wie die sogenannte 'sanfte Medizin' wirkt". Da die größte BKK in Deutschland nach aktueller Gesetzeslage ebenso wie jede andere Krankenkasse inzwischen für jedermann offen ist, hofft man mit dem AHA-Modell (Akupunktur, Homöopathie, Anthroposophische Medizin) in der Mitgliederwerbung Punkte zu machen. Zu den von der Kasse finanzierten Leistungen gehören neben den üblichen homöopathischen Behandlungsformen auch diverse "nicht ärztliche Therapieverfahren", wie zum Beispiel Heileurythmie, therapeutisches Plastizieren oder Rhythmische Massage. Dabei erstattet die BKK Post 85 Prozent der Behandlungskosten, den Rest trägt der Versicherte. Kalkuliert sind zum Beispiel für eine Stunde Eurythmie als Gesamthonorar 63 Mark, für eine Stunde einzeltherapeutisches Malen (50 min.) 70 Mark.

Damit liegt die Post-Kasse etwas über den Sätzen, die die Securvita BKK "ihre Kasse für Ganzheitlichkeit" veranschlagt. Die Krankenkasse, die mit dem BUND kooperiert, hat vier Kriterien entwickelt, die helfen sollen, seriöse Naturheilverfahren von der schillernden Vielfalt der alternativen Heilmethoden abzugrenzen. Demnach muß "die Besonderheit des Therapieverfahrens theoretisch erklärbar und praktisch bewährt sein, das Verfahren muß lehr- und lernbar sein, die eingesetzten Mittel und Wege müssen mit den theoretischen Denkansätzen ein plausibles Konzept ergeben und das Therapieverfahren muß die überwiegende Anerkennung durch die Vertreter der jeweiligen besonderen Therapierichtung genießen. Das gilt laut Liste der Securvita BKK neben den bereits bei der TK und der AOK genannten Verfahren unter anderem auch für die Eigenblutbehandlung, für bestimmte Sauerstoff-Therapien, wie die "Hämatogene Oxydationstherapie", für Symbioselenkung oder die Colon-Hydrotherapie. Die Originalrechnungen für die Therapie muß bereits von dem Versicherten bezahlt sein, die Kostenübernahme erfolgt auch hier nur bei Behandlung oder Verordnung durch einen Vertragsarzt - wer sich in die Hände eines Heilpraktikers begibt, muß nach dem derzeit gültigen Gesetz dies selbst bezahlen. Es sei denn, der Versicherte bucht eines der angebotenen privaten Zusatzpakete. Bei dem von Securvita und BUND gemeinsam angebotenen "VerBUND"-Tarif, den nur BUND-Mitglieder in Anspruch nehmen können, werden nicht nur auch Ärzte ohne Kassenzulassung berücksichtigt, sondern zum Beispiel die Kosten für eine Laboruntersuchung auf Wohnraumgifte oder Amalgamsanierung sowie Schwermetall-Ausleitung übernommen.

Von Bachblüten bis Eigenurin
Bei der Debeka erfolgt die Kostenübernahme bei Naturheilverfahren unter folgender Bedingung: "Der Versicherungsnehmer muß auch bei der Inanspruchnahme einer Methode der alternativen Medizin deren medizinische Notwendigkeit nachweisen, daß unter anderem die Behandlung also generell geeignet ist, das Leiden zu beseitigen, zu bessern oder zu lindern", wobei ein Hinweis auf einen "angeblich eingetretenen Behandlungserfolg" im Einzelfall nicht ausreichend sei. "Es gibt keine konkrete Liste von Naturheilverfahren und heilpraktischen Verfahren, für die wir tarifgemäß erstatten", meldet die Debeka auf Nachfrage, aber grundsätzlich leiste man zum Beispiel für folgende alternative Behandlungsmethoden tariflich: "Akupunktur zur Schmerztherapie, Anthroposophische Medizin, Atemtherapie, Chiro-Therapie, Homöopathie, Kneipp-Therapie, Massagen, Neuraltherapie nach Hunecke und Schröpfen.

Keine Kostenübernahme erfolge dagegen zum Beispiel für Bachblütentherapie, Bio-Feedback, Bio-Resonanz-Therapie, Eigenurin-Therapie, Frischzellen-Therapie ...
Therapieformen, die von der ebenfalls privaten Victoria Krankenversicherungs AG teilweise übernommen werden. Immer vorausgesetzt, die laut Gesetz geforderte "medizinische Notwendigkeit" ist ebenso gegeben, wie die "Einhaltung des notwendigen medizinischen Maßes" (§1(2) und §5(2) MB/KK 1994). Unter der Rubrik "erstattungsfähige Therapieeinrichtung" sind bei der Victoria Versicherung, neben den bereits bei TK und DAK aufgelisteten Verfahren, zum Beispiel auch die traditionelle chinesische Medizin, Shiatsu, Enzymtherapie, Thymus- und Zelltherapie, Ozon-Therapie, Oxyvenierungstherapie oder die Sauerstoff-Überdruck-Therapie aufgeführt. Für alle, die mit den vielen verschiedenen therapeutischen Ansätzen nicht allzuviel anzufangen wissen, hat die Versicherung ein alphabetisches Stichwortverzeichnis entwickelt, das die Begriffe kurz und knapp erklärt.
Iris Lehmann

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