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Rubrik:Essen u. Trinken    Datum: 22.11.2002
VEBU: Warum Hitler kein Vegetarier war...
Essay von Rynn Berry exklusiv übersetzt. Beitrag in der aktuellen Ausgabe des VEBU-Magazins >natürlich vegetarisch<
Führt merkwürdigerweise immer noch... die Argumentations-Top-Ten von Gegnern der vegetarischen Lebensweise mit an: Der angebliche Vegetarier und Tierfreund Hitler liebte z.B. Tauben sehr gerne: Gefüllt und gebraten auf seinem Teller. Lesen Sie die komplette Übersetzung in den eco-news!


"Hitler ein Vegetarier"? Dieser Essay macht Schluss mit diesem Mythos"
Publisher's Weekly


Rynn Berry

(Übersetzt von Guido Barth)









Eine der Bemerkungen, die oft auf Menschen wie mich zielen - jemand, der über berühmte Vegetarier der Vergangenheit schreibt, die oft Paradebeispiele gewesen sind für ein Leben in Gewaltlosigkeit und Leidenschaft - ist der folgende: War nicht auch Hitler Vegetarier? So auch 1991, als ich einen Kommentar an die New York Times geschrieben habe über den Vegetarismus von Isaac Bashevis Singer, diesen so wichtigen Teil seines Lebens, der oft nicht genügend gewürdigt wird.

Ich hatte Singer in einem Interview für mein Buch "Berühmte Vegetarier und ihre Lieblingsrezepte". Er beharrte dabei heftig auf einem Thema "Respekt für Tiere".

Zwei Wochen nach meinem Kommentar an die New York Times, unter dem Titel "The Vegetarian Road to World Peace", veröffentlichte die Times eine Antwort auf mein Schreiben - von der bekannten New Yorker Essayistin Janet Malcolm. Diese Antwort ist es wert hier im Ganzen abgedruckt zu werden:
Rynn Berry's schöner Brief über Isaac Bashevis Singer's Vegetarismus erinnerte mich an eine Aussage, die Isaac Singer bei einem Lunchtreffen zu einer Frau machte. Diese Frau bemerkte zustimmend, als er während der Mahlzeit Fleisch ablehnte, ihre eigene Gesundheit habe sich deutlich verbessert seit sie sich vegetarisch ernähre. "Ich mache das nicht für mich, ich mache das für die Gesundheit der Hühner.", erwiderte darauf Mr. Singer.
Mr. Singer war überzeugt, dass: "Alles was mit Vegetarismus zu tun hat, ist von allergrößter Wichtigkeit, denn es wird auf der Welt keinen Frieden geben, solange wir Fleisch essen". Das mag einige Leser verwirrt haben. Milan Kundera gibt uns die Klarheit zu dieser Aussage auf Seite 289 in seinem Buch, "Die Unerträgliche Leichtigkeit des Seins": Wahre menschliche Güte tritt nur da hervor, wo auf ihren Empfänger keine Macht ausgeübt wird. Der Menschheits wahre moralische Prüfung (tief verborgen und für die Augen nicht sichtbar) besteht aus seinem Verhalten denen gegenüber, die seiner Gnade unterliegen: den Tieren. Unter diesem Aspekt hat der Mensch ein wahres Debakel erlitten, ein so fundamentales Debakel, von dem alle anderen sich herleiten.


Universell
akzeptiert?

Janet Malcolms Reaktion auf meinen Brief erregte eine weitere Antwort eines anderen Times Lesers. Unter der Überschrift: "What about Hitler?" kritisiert der Autor Ms. Malcolm, weil sie impliziert, dass, wenn der Vegetarismus universell akzeptiert werden würde, daraus auch der Weltfriede resultieren würde. Denn, so der Autor des Briefes, Hitler war doch sein Leben lang Vegetarier und hat auch über das Thema ausgiebig geschrieben.
Für mich war diese Reaktion absolut vorhersehbar. Bisher habe ich noch kein Seminar über vegetarische Ernährung gegeben, wo nicht die Frage nach Hitlers Vegetarismus aufgekommen ist. Überall, ob in Buchläden, wenn ich Bücher signiere, wenn ich lese, in jeder Anruf-Talkshow, mindestens eine Person hat immer halb belustigt gefragt : "Ist Hitler in ihrem Buch?", oder: "Warum haben sie Hitler nicht in ihrem Buch erwähnt?".


Schinken, Leber,

Würste

Nach dem letzten Brief im September 1991 veröffentlichte die New York Times zwei Aussagen zu der Frage: "War Hitler Vegetarier oder nicht". Unter der Überschrift: "Hitler war kein Vegetarier", zeigt der Korrespondent (Richard Schwartz, Autor von Judaism and Vegetarism), dass Hitler gelegentlich vegetarisch lebte. Doch allein aus kurativem Grund; gegen seine exzessive Schweißabsonderung und seine Blähneigung. Seine gewöhnliche Ernährung war absolut fleischorientiert. Er zitiert Robert Payne, Albert Speer und andere Hitler Biographen, die alle eindeutig Hitlers Vorliebe für:

Bayerische Würste, Schinken, Leber sowie Hähnchen

belegen. Weiterhin wird argumentiert: Wenn Hitler tatsächlich Vegetarier gewesen wäre, dann hätte er weder im Deutschen Reich noch in den besetzten Ländern alle Vegetarier-Organisationen verboten.
Darüber hinaus hätte er es sicher nicht versäumt und der deutschen Bevölkerung eine fleischfreie Ernährung verordnet - immerhin hätte er damit die Nahrungsmittel-Knappheit im II.Weltkrieg bewältigt. Unter der Überschrift: "Er liebte seine Fleischknödel", zitiert ein anderer Schreiber eine Passage aus einem Kochbuch, das von Dione Lucas, der europaweit anerkannten Chefköchin, geschrieben wurde. Sie ist Augenzeugin gewesen von Hitlers Fleischverzehr. In ihrem Feinschmecker-Kochbuch (1964) bezieht sich Lucas auf ihre Erfahrungen als Köchin in einem Hamburger Hotel in den 30er Jahren.
Sie erinnert sich, wie sie oft gerufen wurde, um für Hitler sein Lieblingsgericht zu kochen. Und das war kein vegetarisches Gericht. "Ich möchte Ihnen nicht den Appetit für gefülltes Geflügel verderben, aber es wird Sie interessieren, dass Hitler ein großer Liebhaber von gefülltem Geflügel gewesen ist. Aber bitte, es handelt sich nichts desto trotz um ein vorzügliches Rezept."

Nicht einmal die klassische New York Times hat genug Mitarbeiter und kann nicht alle Fakten überprüfen, die unter der Rubrik "An die Redaktion" veröffentlicht werden. So habe ich mich entschieden, die Passagen in Payne's Hitler-Biography und Dione Lucas "The Gourmet Cooking School Cookbook" nachzulesen. In den Büchern, in denen Hitlers Vegetarismus mehr als bloß Zweifel hervorruft. Allein schon Robert Paynes ultimative Biographie über Hitler, "The Life and Death of Adolf Hitler", stellt Hitlers Vegetarismus massive Fakten entgegen. Nach Payne ist der Vegetarismus von Hitler eine von Propaganda-Minister Goebbels produzierte Vision. Diese allein sollte Hitler die Aura eines revolutionären Asketen, eines faschistischen Gandhis geben. Paynes Biographie zitiere ich hier direkt:
Hitlers Asketismus spielte eine wichtige Rolle für sein Image in Deutschland, sein Image, wie Goebbels es in seinem Kopf geplant hatte. Ganz im Sinne der Legende, dass Hitler weder rauchte noch trank, kein Fleisch aß und keine Frauengeschichten hatte. Die Wirklichkeit sieht auch hier, wie so oft, ganz anders aus. Hitler trank Bier und häufig verdünnten Wein, er hatte eine besondere Vorliebe für Weißwürste und hielt sich eine Mätresse, Eva Braun. Sie lebte ruhig mit dem Führer auf dem Berghof. Es hat aber noch weitere diskrete Affären mit Frauen gegeben. Seine Askese war nichts weiter als von Goebbels erfunden. Das diente allein dazu, Hitlers absolute Hingabe für die Nation, seine Selbstkontrolle, seine Zurückhaltung, die ihn von anderen Personen distanzierte, zu dokumentieren. Bei derart weitreichender Askese, konnte er für sich beanspruchen, dass er sich ganz dem Dienste für das Volk widmete. Tatsächlich aber war er sich selbst gegenüber sehr nachsichtig und besaß keinerlei asketische Neigungen.
Sein Koch war ein ausgesprochen fetter Mensch. Willy Kannenberg. Er war ein exzellenter Koch und zugleich Hitlers Hofnarr (das allein sagt schon genug, Anm. des Übersetzers). Fleisch hat Hitler bevorzugt in Form von Weißwürsten gegessen. Er aß keinen Fisch, jedoch gerne Kaviar. Er war Kenner guter Süßigkeiten, wie kristallisierter Früchte und Sahne-Kuchen; solche Sachen konsumierte er in erstaunlicher Menge. Tee und Kaffee genoss er in großen Mengen mit sehr viel Zucker und Sahne. Kein Diktator hat jemals mehr Süßigkeiten verschlungen als er. Jetzt wissen wir es: Hitler war versessen auf Weißwürste und Kaviar. Nicht einmal die lascheste Definition von vegetarisch kann so gedehnt werden, das derart gastronomische Abscheulichkeiten hinein passen würden. Da Nicht-VegetarierInnen häufig nur eine vage Vorstellung davon haben, was vegetarisch ist, denken sie, dass Leute wie Hitler, die Kavier, Tauben und Würste essen, Vegetarier sind. Mit solchen Kriterien sind sogar Schakale und Hyänen, die neben Aas auch Früchte und Gemüse essen, Vegetariern. Ähnlich argumentiert auch Dr. Roberta Kalechovsky in ihrem Essay: "Hitlers Vegetarismus: "Eine Frage, wie Vegetarismus definiert wird".


Schlichtweg
falsch

Biographisches Material über Hitlers angeblichen oder tatsächlich belegten Vegetarismus ist widersprüchlich. Er wurde manchmal als Vegetarier bezeichnet, obwohl bekannt war, dass er Weißwürste, Leberknödel, Kaviar und manchmal Schinken liebte. Auf der anderen Seite wird nirgends erwähnt, dass er "rotes Fleisch" besonders mochte. Sein angeblicher Vegetarismus wird meistens erwähnt zusammen mit seiner Askese. So zum Beispiel am 14. April 1996 in der Sonntagsausgabe zum 100 jährigen Bestehen der New York Times. Da wurde ein Artikel über Hitlers Ernährung abgedruckt, der erstmals am 30. Mai 1937 erschienen war: Zu Hause mit dem Führer.
"Es ist allgemein bekannt, das Hitler Vegetarier ist, nicht trinkt und nicht raucht. Seine Mahlzeiten bestehen daher in erster Linie aus Suppen, Eiern, Gemüse und Mineralwasser, gelegentlich jedoch ergänzt er seine langweiligen Mahlzeiten mit Weißwürsten, Kavier oder auch mal einer Scheibe Schinken."
Die Definition der New York Times von vegetarisch, welches Schinken und Kaviar enthält, ist schlichtweg falsch. Bereits 1911 heißt es in der 11. Ausgabe der Encyclopedia Britannica (das am häufigsten konsultierte Referenzwerk) zur Definition vegetarisch: "vegetarisch, ein vergleichsweise modernes Wort, das seit 1847 mehr und mehr gebräuchlich ist, bezeichnet eine Ernährung, die Fisch, Fleisch und Geflügel ausschließt". Das ist eindeutig. So gibt es für einen Redakteur der New York Times im Jahre 1937 keine Entschuldigung, wenn er Hitler einen Vegetarier nennt, und sagt: er sei schlecht informiert gewesen.
Ausnahme
Leberknödel

Dennoch, moderne Biographen, die es eigentlich besser wissen müssten, haben den Mythos von Hitler als Vegetarier bis heute weiter gepflegt, einfach weil sie es versäumt haben diesbezüglich ihre Hausaufgaben zu machen. Wenn auch in anderen Bereichen exzellent, so sind ihre Bücher zu diesem Thema lückenhaft und falsch. Selbst Mediziner, die zahlreiche Werke über Hitler mit allwissender Autorität verfasst haben, sind, was seine vegetarische Ernährung angeht, lächerlich schlecht informiert. Um nur das jüngste Beispiel zu nennen: Dr. Fritz Redlich, sagt in seinem Buch: "Hitler, Diagnose eines zerstörerischen Propheten", dass zahlreiche Hitler nahestehende Personen - so auch Otto Wagener - berichteten, dass Hitler unmittelbar nach dem Tod seiner Nichte Angela (Geli) Raubal (zu der Zeit seine Geliebte, Anm des Übersetzers) im Jahr 1931 Vegetarier geworden war. Als Teenager und junger Mann hatte Hitler zweifellos Fleisch gegessen; genauso in seiner Militärzeit während des I. Weltkrieges und in der Zeit vor seinem Aufenthalt im Zuchthaus Landsberg. Hitlers Vegetarismus war ziemlich streng. Er schätzte Rohkost, war aber deswegen kein Verfechter der kalten Küche, die in jener Zeit sehr verbreitet war. Er mied jegliches Fleisch, mit Ausnahme eines österreichischen Gerichtes mit Leberknödeln. Es ist typisch, das Dr. Redlich sich nicht zur Klärung aufgerufen fühlte, zur Klärung, wie Hitler strenger Vegetarier sein konnte und gleichzeitig seiner Leidenschaft für Leberknödel folgte.
Hitler bezeichnete sich lange selbst nicht als Vegetarier. Das mag sich geändert haben als emotionale Reaktion auf den Tod seiner Nichte, die seine erste Geliebte war und wahrscheinlich Selbstmord verübt hat. Das jedenfalls hat Frau Hess geglaubt - eine gute Freundin Hitlers: "Er hatte schon vor ihrem Tod immer Bemerkungen gemacht und hatte mit dem Gedanken einer vegetarischen Ernährung gespielt, jetzt meinte er es ernst", so Frau Hess. Von eben diesem Moment an hat Hitler kein Stück Fleisch mehr gegessen, mit Ausnahme von Weißwürsten und Leberknödeln. Diese Passage ist in John Tolands Biographie über Hitler zitiert und wird von Dr. Kalechovsky folgendermaßen kommentiert : "Diese Aussage stimmt mit anderen Quellen bezüglich Hitlers Ernährung insoweit überein, dass jede Quelle in irgendeiner Form Fleisch nannte, sei es Schinken, Würste oder Leberknödel.
Aus Hitlers Gesundheitszustand lässt sich jedoch folgern, dass er kein Vegetarier gewesen ist. Richard Schwartz erwähnt in seiner von der Times abgedruckten Aussage, dass Hitler unter exzessiver Schweißneigung und unter Blähungen gelitten hat. Neben diesen Krankheiten litt er außerdem unter Zahnfäule, akuten Magenstörungen, Arterienverhärtung (eine typische Krankheit als Folge von Fleischkonsum), Leberleiden und eine unheilbare Herzkrankheit (fortgeschrittene Sklerose der Herzkranzgefäße). Seine Doktoren haben ihm hochdosierte Medikamente gegeben. Dazu gehören auch eine zehnprozentige Kokain-Lösung, Pillen auf Strychnin-Basis und Injektionen mit pulverisierten Bullen-Hodenextrakt. Somit ist gewiss, Hitler ist nicht in den Genuss einer robusten Gesundheit gekommen, die gewöhnlich mit der vegetarischen Ernährung einhergeht. Im Gegenteil, seine Symptome deuten unfehlbar darauf hin, dass er in großen Mengen Nahrungsmittel tierischer Herkunft konsumiert hat.

Darüber hinaus: Im Dritten Reich war es Vegetariern verboten, sich zu organisieren oder neue Publikationen herauszubringen. Ein führendes vegetarisches Magazin, die Vegetarische Warte, stellte ihr Magazin in Frankfurt 1933 ein.
Ein konkurrierendes Magazin, die Vegetarische Presse, wurde in entschärfter Version während der Nazi-Diktatur geduldet, allerdings drastisch zensiert: So war es unter anderem verboten, den Begriff "vegetarische Bewegung" zu verwenden. Außerdem durften weder Ort noch Zeit der Treffen der Vegetarier veröffentlicht werden.
Nazis verbieten
vegetarische

Bewegung

Konsequenz: Vegetarier, die nicht Verhaftung oder schlimmeres riskieren wollten, mussten sich heimlich treffen. Die Mazdaznan-Bewegung - sie basiert auf den vegetarischen Lehren Zarathustras - wurde von Hitler als gesetzeswidrig erklärt. Wahrscheinlich, weil ihr Präsident, Dr. Rauth, Jude war. Auch alle anderen vegetarischen Organisationen wurden für illegal erklärt und wurden zur Mitgliedschaft in der Deutschen Gesellschaft für Lebensreform gezwungen. Mitglieder früherer vegetarischer Organisationen waren häufig das Ziel von Razzien. Während dieser Razzien hat die Gestapo Bücher konfisziert, wenn sie selbst nur einige vegetarische Rezepte enthielten. Als Kanzler hat Hitler nichts getan, um den Vegetarismus in Deutschland zu fördern. Rein gar nichts. Mit einem leichten Federstrich seines Federhalters hätte er die vegetarische Ernährung zur gesetzlich vorgeschriebenen Ernährungsweise im Land machen können. Stattdessen unterließ er nichts, der vegetarischen Bewegung entgegenzuarbeiten.

Im Verlauf der Verifizierung der Fakten meiner Recherche, entdeckte ich in den Biographien über Hitler, wie leidenschaftlich er die Nachteile von Tabak propagierte. Hitler : "Ich würde niemandem, für den ich etwas über habe, eine Zigarette oder Zigarre anbieten, es sei denn, ich will ihm etwas Böses. Es ist allgemein bekannt und akzeptiert, dass Nichtraucher länger leben als Raucher. Bekannt ist auch, dass Nichtraucher bei Krankheit mehr Widerstandskräfte haben".
Tatsächlich, gab es sein verbindliches Angebot für Menschen in seinem engeren Kreis: "Wer dem Tabak abschwört, bekommt eine goldene Uhr". Seiner Geliebten Eva Braun jedoch setzte er ein Ultimatum: "Entweder gibst du das Rauchen auf oder mich". Es ist mir absolut klar: Wenn Hitler genauso ein bewusster Vegetarier gewesen wäre, wäre er genauso gegen Fleisch gewesen, wie gegen das Rauchen. Aber ich habe vergeblich nach Hinweisen dafür gesucht. Sicher jedenfalls, es hat kein Angebot einer goldenen Uhr gegeben für die, die dem Fleischkonsum abschwören. Es hat auch kein Ultimatum an Eva Braun gegeben: "Entweder gibst Du das Fleischessen auf oder mich". Letztendlich habe ich mich entschieden und den Bezug von Dione Lucas zu Hitlers Leibgericht geprüft. Nämlich genau in "The Gourmet Cooking School Cookbook" von Dione Lucas.
Es ist erwähnenswert, dass Dione Lucas eine Vorgängerin der berühmten Französischen Köchin, Julia Childe, war. Lucas war eine der ersten und wenigen Frauen, die erfolgreich eine Kochschule in den USA eröffnet hatten. Sie war auch eine der ersten, welche die französische Küche im Fernsehen in den 50er und 60er Jahren populär gemacht hat. In den 30er Jahren, bevor sie in die USA gegangen war, hatte sie als Köchin in einem Hotel in Hamburg gearbeitet. Eben dort war Adolf Hitler häufiger Gast gewesen. Auf einem meiner Streifzüge nach Büchern, habe ich ein Exemplar ihres Buches "The Gourmet Cooking School Cookbook" in einem Antiquariat gefunden. Hitlers

Leib-
gericht

Ich habe den Staub und die Spinnenweben vom Buchdeckel gepustet und die Seite 89 aufgeschlagen. Da war es. So deutlich und klar wie der chaplinhafte Schnurrbart im Gesicht des Führers selbst, so stand dort das Rezept zu Hitlers Leibgericht.

"Ich habe dieses Rezept vor dem II. Weltkrieg in Hamburg, Deutschland, kennen-gelernt. Dort habe ich in einem Hotel gekocht. Ich möchte ihnen nicht ihren Appetit auf gefülltes Geflügel verderben, aber es mag Sie interessieren, es war eines von Hitlers Leibgerichten, und Hitler war häufiger Gast in dem Hotel. Nichts desto trotz handelt es sich um ein sehr schönes Rezept."

Genauso aufschlussreich, wie der erste Absatz, war auch der darauffolgende: "Eine der größten Probleme mit Geflügel sind die vielen kleinen Knochen, an denen überall ein wenig Fleisch hängt. Wenn sie endlich abgenagt sind, sieht ihr Teller aus wie ein Leichenhaus, der Esser selbst ist schlaff und müde." Bei diesem Anblick kommt der leise Verdacht auf, dass das ganze keinen Heller wert gewesen ist. In seinem Führerbunker in Berlin muss Hitler gleiches Gedacht haben, als er nach der 7.65 Walther griff, die dann sein Leben beenden sollte, und die Ruinen seines Reiches überschaute. Das Leichenhaus. Europa. Die physische und psychische Ermüdung und der Eindruck, dass das alles keinen Heller wert gewesen ist. Aber es ist alles da : "das ganze tausendjährige Reich"; genau wie auf dem Teller mit den Geflügelknochen.

Es steckt schon einige Ironie darin, dass Menschen sich lustig machen, lustig über die Hingabe mit der Issac Bashevis Singer sich für Tiere eingesetzt hat, auf der anderen Seite aber sofort annehmen und sogar glauben, was über Hitlers vegetarische Ernährung erzählt wird.
Genauso ironisch finde ich es, dass mein Brief über Isaac Bashevis Singers vegetarische Ernährung eine Lawine von Briefen ausgelöst hat, die letztlich den Mythos von Hitlers vegetarischer Ernährung gesprengt hat. Für wahr, es gibt keinen zwingenden Grund, warum jener Mythos plötzlich eine solche Aufregung verursacht hat. Aufregung gerade bei Leuten, die sich so sehr für die Gesundheit von Hühnern einsetzen, oder wie Singer einst sagte, "für die Gesundheit des Menschen und für die ökologische Gesundheit des Planeten". Dennoch, es schmerzt nicht, dass das jetzt endlich gelöst ist. Gerade im Hinblick auf Vegetarier wie:

 Pythagoras
 Leonardo da Vinci
 Tolstoi
 Shaw
 Gandhi und
 Singer.

Aber Herr Hitler, der seine Tauben gefüllt und gebraten liebte, war eben kein Vegetarier.

Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Rynn Berry.


Copyright 2002 by Rynn Berry, Berater für Geschichte bei der North American Vegetarian Society, Autor von "Famous Vegetarians and Their Favourite Recipes" und "Food for the Gods: Vegetarianism and the World's Religions".
Übersetzung für den Vegetarier-Bund aus dem Englischem von Guido Barth, Journalist (Redaktion natürlich vegetarisch)

Ein Probeheft der aktuellen Ausgabe von "natürlich vegetarisch" ist gegen 1,50 Euro Portokosten in Briefmarken zu beziehen über:

Vegetarier-Bund Deutschlands e.V.
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Tel. 0511 -363 2050
 
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